Es liegt an uns, dass das Richtige wächst

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Wir dachten, wir haben alles im Griff. Könnten mit Wissenschaft und Technologie alles – immer besser – planen und kontrollieren. Doch die Welt ist und bleibt VUKA – volatil, unsicher, komplex und ambivalent. Text von Organisationsberaterin Barbara Guwak

Die von uns geschaffene Welt lässt sich nicht beherrschen! Wir begreifen, dass wir uns mit unserer „wir haben alles im Griff- Überzeugung“ getäuscht haben. Mit dieser Einsicht geht eine alte Weltordnung zu Ende, die auf predict und controll als Strategie schlechthin setzt.

Diese Analyse ist leicht gesagt, doch wie können wir als Gesellschaft, in Organisationen und als Individuen damit konstruktiv umgehen? Antworten auf diese Frage gibt es viele. Eine ist eine neue Haltung zur Veränderung.

Es gibt keine veränderungsfreie Zeit. Solange wir leben, solange lernen und wachsen wir in einer unbeherrschbaren Welt, die zu formen wir niemals aufgeben dürfen. Egal, ob als einzelner Mensch, als Gruppe, Organisation oder Gesellschaft. Es ist bei Weitem nicht alles getan, und es ist gar nicht sicher, dass nicht das Falsche getan wird und das Falsche wächst. Hellmut Wilhelm (1905–1990), deutscher Sinologe an der University of Washington, brachte es folgendermaßen auf den Punkt: „Im ständigen Werden und Wachsen allein ist das Leben greifbar. Setzt dies aus, so ist das Ergebnis nicht der Tod, der ja nur eine Form des Lebens ist, sondern die Umkehrung des Lebens, dessen Perversion (…) Der Gegensatz der Wandlung ist, wenn wächst, was schwinden sollte, wenn zugrunde geht, was herrschen müsste.“

Es liegt also an uns, dass das Richtige wächst. Eine neue Epoche in unserer Geschichte bricht an, in der wir das immer stärker erkennen und entsprechend handeln sollten.

Eine der wichtigsten Erkenntnisse der VUKA -Welt ist es doch, dass wir in einem ständigen Veränderungsprozess leben, in dem immer auch etwas anderes möglich wäre, die Ereignisse mehrdeutig sind und wir die Weite des Feldes nicht komplett überschauen. Veränderung oder Change führt nicht von A nach B und ist dann vorbei. Solche Abschnitte mögen schon vorkommen. Doch Veränderung ist das Prinzip des Lebens. Es ist ein Fluss, eine Fahrt, in der sich immer etwas tut. Manche Streckenabschnitte sind schwierig und kaum alleine zu bewältigen, und bei anderen bemerkt man nicht einmal die Bewegung, die einen treibt.

Wenn wir ein konkretes Veränderungsvorhaben skizzieren, ist das in der Regel ein kurzes  Teilstück in einem Fluss, der unterwegs ist. Und trotzdem, auch wenn die Welt VUKA ist und wir im ewigen Strom des Lebens dahinschwimmen, ist es richtig und wichtig, dass wir Dauer anstreben. Wir versuchen Nachhaltiges zu bauen, Strukturen zu schaffen, die halten, Kulturen zu entfalten, die überdauern und Strategien zu entwickeln, die längerfristige Perspektiven geben. Doch das Anstreben von Dauer ist nicht genug. Wir müssen gleichzeitig immer bereit sein, uns zu wandeln. Vertrautes aufzugeben, Gewohntes hinter uns zu lassen und Entwicklung und Veränderung zu bejahen. Beides braucht es. Denn die Bewegung zwischen diesen Polen bedeutet Lebendigkeit. Es liegt auf der Hand, dass diese beiden Prinzipien ein spannungsgeladenes Verhältnis zueinander haben. Genau diese Spannung ist es, die dem Wachstum, dem Fluss, Energie verleiht. Das Pendeln zwischen diesen beiden essenziellen Prinzipien des Lebens: Dauer und Wandel. Der Fluss des Lebens und des Wachsens bewegt sich zwischen diesen beiden Polen. Er wird von ihnen gleichzeitig abgestoßen und angezogen. Wut und Zärtlichkeit, Antwort und Frage, Wissen und Glauben, Ungewissheit und Endgültigkeit. Wir pendeln hin und her. In manchen Themen mit heftigen Ausschlägen, in anderen mit ganz kleinen. Das Pendeln versorgt uns mit jener Energie, die wir für Lernprozesse brauchen.

Ja, Veränderungen sind Lernprozesse. Wir lernen, die verschiedenen Pole in uns wahrzunehmen und uns zwischen ihnen zu bewegen, um uns in der nächsten Polarität wiederzufinden. Mitgefühl, Humor und Reflexion sind uns laut Matthias Varga von Kibed  wesentliche Zutaten und Orientierung dabei.

„Die vierte Kränkung –Wie wir uns in einer chaotischen Welt zurecht finden“ von Barbara Guwak und Matthias Strolz, erschienen im Goldegg Verlag. Das Buch ist ein Plädoyer dafür, unseren Fokus zu verändern: Weg von „Voraussagen, Planen und Kontrollieren“ hin zu „Wahrnehmen, Begreifen und gemeinsames Tun“.

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