Die Kunst, sich zu verändern

Es sind Zeiten der Veränderung. Auch wenn man selbst gerade nicht im Umbruch ist, die große Welt ist es. Wäre es da nicht beglückend, auf der Welle des Wandels surfen zu können, anstatt bloß einfach nicht abzusaufen? wirks-Herausgeber Harald Koisser über sein neues Buch

Ich bin durch Veränderungen gegangen. Ich durfte so viel lernen. Von mir selbst und den Menschen in meinem Umfeld. Veränderung kann man erdulden, zu vermeiden versuchen, oder man kann sie als Kunstform betrachten.

Genau das habe ich gewagt. Nicht absaufen, sondern Apnoetaucher werden. Nicht davonlaufen, sondern tanzen. Nicht die Augen zumachen, sondern ganz genau hinsehen. Wie ist das mit der Veränderung? Was passiert da? Wie kann man die Veränderung elegant bewerkstelligen?

Was ich gesehen und vielleicht auch verstanden habe, habe ich aufgeschrieben. Das Buch heißt „Die Kunst, sich zu verändern“ und genau darum geht es – Veränderung als Kunstform zu begreifen, die man erlernen kann.

Und ich habe von anderen abgeschrieben. Zum Beispiel von Norie Huddle. Die Amerikanerin hat in ihrem Buch „Butterfly – A tiny Tale of Great Transformation“ erläutert, was passiert, wenn sich eine Raupe in einen Schmetterling verwandelt.

Wie aus einer Raupe ein Schmetterling wird

Sobald sie sich in den Kokon einspinnt, entstehen in ihrem Körper neue Zellen, die von der Wissenschaft Imago-Zellen genannt werden. Sie sind so andersartig, dass das Immunsystem der Raupe sie für Fremdkörper hält und vernichtet. Da hat die Raupe auch recht, denn diese Zellen haben mit der Raupe nichts zu tun. Es sind nicht Raupen-Zellen, sondern Schmetterlings-Zellen. Die Imago-Zellen tauchen wieder und wieder auf, der Raupenkörper produziert unentwegt jene Zellen, die er dann bekämpft. Die Imago-Zellen sind die höher entwickelte Fortsetzung der Raupenexistenz, das bestehende System „Raupe“ fördert somit die Transformation und bekämpft sie zugleich. Die Raupe will zum Schmetterling werden und bekämpft diese Veränderung zugleich. Es ist Streben und Widerstreben in einem.

Das Wachstum neuer Zellen passiert bald schneller, als das Immunsystem des alten Systems reagieren kann. Die kleinen und bis dahin ziemlich einsamen Imago-Zellen beginnen, sich in kleine Gruppen zu verklumpen, und die Klumpen beginnen Gruppen zu bilden! Sie ergeben einen langen Faden von in Haufen verklumpten Imago-Zellen, die nun in größerem Maßstab innerhalb der verpuppten Larve untereinander Informationen austauschen. Dann, an einem bestimmten Punkt, scheint dieser lange Faden von Imago-Zellen plötzlich zu begreifen, dass er „etwas“ ist. Etwas anderes als die Raupe. Etwas Neues! Und mit der „Erkenntnis“ einer eigenen Identität beginnt er, den alten Raupenkörper von innen zu verwandeln. Diese Erkenntnis ist die eigentliche Geburt des Schmetterlings. Jetzt kann jede Schmetterlingszelle ihre eigene Aufgabe übernehmen. Für jede der neuen Zellen ist etwas zu tun, alle sind wichtig. Und alle anderen Zellen unterstützen sie darin, genau das zu tun. Die Raupe hat sich in einen Schmetterling verwandelt.

Der Schmetterling in uns ist angelegt

Das ist die Lehre des Schmetterlings: Genau so können auch wir uns verpuppen, um unsere Verwandlung einzuleiten. Wir wollen unsere Raupenexistenz aufgeben. Und doch wollen wir auch nicht. Wir streben in das Neue und bekämpfen es in uns selbst. Der Schmetterling in uns ist angelegt und bahnt sich seinen Weg.

Tatsächlich scheint auch die soziale Entwicklung der Menschen diesem Prinzip zu folgen, wie die Geschichte lehrt – etwa jene von der Demokratie im antiken Athen. Ein neuer Gedanke war rund 500 v.u.Z. hochgekommen, eine faszinierende „Imago-Zelle“ namens Freiheit, Individualität, Menschlichkeit – Demokratie eben.

Aus dem Chaos entsteht das Neue umso mächtiger

Die Oligarchen und konservativen Adeligen der damaligen Zeit übernahmen die Rolle der „alten Zellen“. Sie verrieten ihre Heimat Athen sogar an das feindliche Sparta, um die „Imago-Zellen“ der Demokratie und der zunehmenden Weltoffenheit in Athen zu bekämpfen. Und tatsächlich unterlag der Stadtstaat im Jahr 404 v.u.Z. in den Peloponnesischen Kriegen. Die Demokratie schien besiegt. Es kam eine kurze Phase der Zerstörung und des Mordens, doch die von Sparta eingesetzten Herrscher erwiesen sich als unfähig, konnten revolutionäre Bewegungen, die überall hochkamen, nicht unterdrücken, sodass Sparta schließlich, mitten im längst errungenen Sieg, einen Friedensvertrag mit den athenischen Demokraten schloss. Unter den schwersten Schicksalsschlägen hatte das völlig neue System der Demokratie überlebt. Aus der Niederlage war ein verblüffender Sieg geworden. Aus dem Chaos des Niedergangs war das Neue umso mächtiger erwachsen.

Genau so habe ich oft die Verwandlung von Menschen erlebt. Sie streben in das Neue, bekämpfen sich selbst, verzweifeln – und plötzlich, oft am tiefsten Punkt der Verzweiflung, mitten in Resignation und Selbstaufgabe, wird es leicht und schmetterlingshaft.

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