Sex ist Friedensarbeit

Wir halten Symposien ab, gründen Arbeitsgruppen, Friedensinitiativen, … – und vergessen, wie wir ganz schnell etwas zum Guten in der Welt ändern können: durch erfüllenden Sex

In unserer Kultur ist Sex eine weitgehend flotte Angelegenheit. Schnell, effizient, zielorientiert, technikverliebt. Zehn Minuten Reibung. Zieleinlauf. Erschöpfung und ein wenig Leere. Das, was man so sehr und oft über einen langen Zeitraum hinweg ersehnt, ist dann erstaunlich schnell vorbei.

Warum ist das so und was können wir tun?

  1. Zielfixierung – Wir geben dem Sex ein Ziel, weil wir allem im Leben ein Ziel geben. Der Orgasmus ist ein durchaus erstrebenswertes Ziel. Also streben wir den Orgasmus an. Den eigenen und den der Partnerin/des Partners. Sex wird zu einem ergebnisorientierten Projekt. Wir haben Sex einzig und allein des Orgasmus wegen. Das zielt aber komplett am Wesen von Sexualität vorbei. Denn Sex lebt nicht vom Ziel, sondern vom Weg. Es ist ein Austausch von Zärtlichkeit, ein Spiel, ein Fest, ein Geschenk des Miteinander, in den besten Momenten ein Heiliger Akt. Das Miteinander, das Zärtliche und Heilige wollen aber genau das Gegenteil von Zielerreichung: sie wollen Langsamkeit. Sie wollen den Augenblick feiern und der darf lange sein. Was tun? Die Zielvorgaben über Bord werfen. Sich darauf einigen, dass es diesmal nicht um einen Orgasmus geht. Kommt er, ist es fein, kommt er nicht, dann ist es auch fein. Weg mit dem Ziel. Runter vom Gas.
  1. Technik – Sex hat ein inneres Drehbuch, wo wir genau wissen, was an welcher Stelle zu passieren hat. Dieses Drehbuch spulen wir ab, damit wir das Ziel erreichen. Ausziehen, Küssen, Streicheln, etc. Die inneren Bilder von dem, was wir für richtig halten, treiben uns. Pausen und Abweichungen sind nicht vorgesehen, weil es ja um Erregung und Steigerung Richtung Ziel geht. Allerdings stellt sich dabei manchmal Enttäuschung oder gar Panik ein, weil der Körper nicht tut, was das Drehbuch vorschreibt. Keine erregierten Brustwarzen, kein erregierter Penis, keine frenetische Lust. Wie kann das nur passieren? Nun, es passiert eben. Der Körper ist keine Maschine. Er will etwas anderes als der zielfixierte Verstand. Er will Ruhe, Gelassenheit, Liebe. Was tun? Weg mit dem Drehbuch, weg mit technischen Handgriffen.
  1. Sex als Nebensächlichkeit – Wir behaupten zwar, dass uns Sex wichtig ist, schieben ihn aber an den Tagesrand. Damit bekommt er den Stellenwert einer Freizeitaktivität, die wir dann wahrnehmen, wenn alles andere erledigt ist. Zuerst das Wichtige, dann der Sex. Was soll dabei schon herauskommen? Im Zustand der Müdigkeit geht nicht mehr als die obligaten zehn Minuten. Dabei wäre Sex der zentrale Lebensmotor, der es uns erlaubt, leistungsfähig und frisch zu sein. Sex ist wichtig, nicht das andere. Was tun? Danach handeln. Den Sex in den Mittelpunkt des Lebens stellen, nicht die Arbeit. Zuerst den Sex planen und dann rundherum alle anderen Aktivitäten.

Wenn wir unsere Einstellung zu Sex und unsere Art des Liebemachens ändern, dann ändert sich etwas Fundamentales im ganzen Leben. Es ist nicht gleichgültig für unser Leben, wie wir Sex haben. Ein gelassenerer Zugang und die daraus resultierende tiefe Erfüllung erlauben es uns, einander anders zu begegnen. In der Partnerschaft, in der Familie, im Beruf. Frieden und Freiheit in der Sexualität wirken sich auf Frieden und Freiheit im generellen Miteinander aus.

Sex ist Friedensarbeit (wie es im Dokumentarfilm „Slow Sex“ heißt). Wir halten Symposien ab, gründen Arbeitsgruppen, Friedensinitiativen, politische Bewegungen – und vergessen ganz darauf, wie wir ganz schnell etwas zum Guten in der Welt ändern können: durch erfüllenden Sex.

Wie soll den Frieden auf Erden gelingen, wenn „die ganze Politik von unerotischen Individuen bestimmt wird, die vom egozentrischen Gefühl der Bedrohung beherrscht werden“ (Peter Schellenbaum)? Dieses dauernde Gefühl, verfolgt und benachteiligt und ausgebeutet zu werden, hängt mit unzureichendem Sex zusammen. Das eine bestimmt das andere. Wer hasst, sieht nur Feinde. Wer nur Feinde sieht, kann nicht lieben.

Wer hingegen liebt, sieht keine Feinde. Und trifft er doch „auf Menschen, die ihm feindlich sind, lässt er sich seelisch nicht vergiften.“ (Schellenbaum). Nur die erotische Einstellung zum Leben heilt die paranoide Geisteshaltung unserer Zivilisation.

Los geht’s.

Hier ein erster Schritt:
Liebesretreat auf Schloss Eschelberg
Paare erforschen ihre Liebe & heilige Sexualität, 8. – 15. Oktober 2017
>> zum Liebesretreat

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