Die Schönheit der Dinge

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Der von mir geschätzte Chemiker Hanswerner Mackwitz ist im August 2010 von uns gegangen. Ich möchte hier einen Text bringen, den er mir 2009 in die Hand gedrückt hat. Er sieht darin ein geglücktes und harmonisches Leben in der Nutzung geglückter und harmonischer Produkte. (Harald Koisser)

Woher kommen eigentlich die vielen „schönen und nützlichen Dinge“, die Möbel, Staubsauger, Kühlschränke, Computer, Spielzeuge, Medikamente, Textilien, Schuhe u.v.a.m., was wir als moderne Gebrauchsgüter eine Zeitlang benutzen ? Was passiert, wenn wir die Dinge wegwerfen? Warum eigentlich werfen wir die Sachen oft so schnell wieder weg? Vielleicht auch deshalb, weil sie nicht schön genug sind und unsere Freude über den Konsum nur kurze Zeit anhält? Die allermeisten Alltagsprodukte bewegen sich auf einer trostlosen Einbahnstraße, von der es kein Zurück mehr gibt: Rohstoffgewinnung, Produktion, Vertrieb, Konsum und … Entsorgung. Unsere globale Materialwirtschaft ist in Wirklichkeine ein lineares System und keine vernünftige Kreislaufwirtschaft, denn die wird häufig nur als virtuelles Konzept in Sonntagsreden strapaziert.

Im Gegensatz zu den Ameisen – ihre Biomasse entspricht dem 4-fachen Gewicht aller Menschen auf der Erde – produzieren wir ununterbrochen Müll und verlieren dabei wertvolle Materialien. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat die Menschheit mehr Rohstoffe verbraucht als in ihrer gesamten Geschichte zuvor.

Auf einem begrenzten Planeten läßt sich ein lineares System nicht endlos fortführen, warnen heute viele Umweltexperten. Daran ist mehr als ein Körnchen Wahrheit. Aber der drohende Engpass betrifft nicht nur das begehrte Erdöl – sondern auch wichtige Metalle wie z.B. Kupfer, Chrom, Vanadium und Platin oder auch seltene Metalle wie Indium und Tantal, die dringend für die Herstellung von Handys benötigt werden.

Die Suche nach Rohstoffen gestaltet sich immer schwieriger und aufwendiger, die Preise schießen in die Höhe. Die Zukunft der Weltwirtschaft hängt von endlichen Ressourcen ab, die schrumpfen – und irgendwann unerbittlich zur Neige gehen.

Wie also kommt dennoch Schönheit in die Welt der Dinge? Alles, was man mit Liebe betrachtet, ist schön, sagte Christian Morgenstern. Heute sprechen wir zeitgemäß vom „Intelligenten Design“. Das kommt dabei heraus, wenn Funktion und Emotion verbunden werden, um Gegenstände zu schaffen, die eine Kommunikation zwischen dem Objekt und dem Eigentümer anregen und vertiefen können.

Doch das geschieht ausschließlich über die Wahl der wirklich „nachhaltigen“ Materialien, die ansprechende Form und gelungene Funktion – nicht zuletzt vermitteln uns solche Gegenstände ein gutes Gewissen und schönes Erlebnis, welche unsere innere Seiten berühren – gerade auch dann, wenn wir uns mitten im Alltag befinden. Ein Baum zum Beispiel ist eine wunderbare Inspiration für Design: Die Idee, ein Gebäude wie einen Baum zu gestalten, heißt, ein Gebäude zu entwerfen, das Sauerstoff produziert, Sonnenenergie nutzt, Wasser reinigt und vieles mehr. Dahinter verbirgt sich das außerordentlich kreative Cradle to Cradle-Konzept – entworfen und viele Male erfolgreich umgesetzt von dem deutschen Chemiker Michael Braungart in Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Architekten William McDonough. Die Fenster zum Beispiel werden vom Hersteller nicht mehr verkauft, sondern nur noch als Dienstleistung für 25 Jahre abgegeben. Danach gehen sie zurück zum Hersteller, denn ein leistungsfähiges Thermofenster kann ohne giftige Stoffe heute noch nicht produziert werden, die aber wiederum wichtige „technische Närhstoffe“ sind. Der Beton reinigt die Luft, das tun auch die Farben, die im Cradle to Cradle-Gebäude verwendet werden. Der Teppichboden wird an den Kunden nur ausgeliehen, es wird nur noch eine Fußbodenverpackungsversicherung verkauft. Alle Produkte nach diesem Konzept werden also technische oder biologische Nährstoffe – und kein Müll! Sogar der Baustahl wird danach ausgesucht, dass keine Buntmetalle darin sind. Idealerweise kommen solche Gebaäde und Produkte auch ohne PVC aus, das heißt cradle-to-cradle wird mit ausschließlich nützlichen Stoffen in die Praxis umgesetzt.

Wirkliche Schönheit kommt bekanntlich von innen. Deshalb gibt es vom Nützlichen zum Schönen auch es direkte Verbindung in unserer Alltagskultur! Körper, Wohnung, Kleider, Auto, Gebrauchsgegenstände – zählen zu jenen Bereichen, in denen die Ästhetik für viele Menschen eine hohe Bedeutung hat. Wir möchte die Dinge so gestaltet haben, dass sie auch unseren Sinn für Schönheit befriedigen. Wir wollen besser aussehen, und die Küche soll nicht nur funktional, sondern – je nach Geschmack – modisch oder altmodisch, gemütlich oder elegant, hell oder indirekt beleuchtet, kühl oder in warmen Tönen oder einfach nur „schön“ sein.

Die wirklich „schönen“ Dinge des Lebens weisen also nicht nur ein hübsches oder extravagantes Design auf; sie sind nicht nur elegant oder reizend, witzig oder originell; sie sind schön dann, wenn sie die Alltäglichkeit verklären helfen, indem sie die technischen, kommunikativen und sozialen Funktionalitäten mit einer Qualität versehen, die nicht nur unseren Sinnesorganen schmeichelt und unseren Geschmack befriedigt, sondern eine Ahnung davon vermittelt, was es hieße, mit all unseren zivilisatorischen Versatzstücken Teil einer großen und harmonischen Kreislaufkultur zu sein und auch deshalb ein geglücktes Leben zu führen.

Hanswerner Mackwitz war ein großartiger Chemiker und Verfechter einer besseren Welt, Bestsellerautor („Zeitbombe Chemie“), Grünaktivist, Politiker, verschmitzter Philosoph. Ich habe sein Engagement für eine lebensbejahende, freundliche Chemie zutiefst geschätzt, einer Chemie, von der er nicht etwa träumte, sondern die in seinem Labor Wirklichkeit geworden ist. Er war überzeugt, dass die Natur ausreichend natürliche Stoffe bereit hält, um die Wiirkung zu erzielen, die wir uns von den vom Menschen geschaffenen chemischen Substanzen versprechen. Er war Verfechter des cradle-to-cradle-Prinzips und das von gugler geschaffene Druckverfahren bestätigt ihn einmal mehr. Wie schön, dass dieses Gedankengut von seinem Institut Alchemia Nova (www.alchemia-nova.net) fortgesetzt wird. – HK

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