Sind wir nicht reich?

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Birgit Chochola über Reichtum und Microfinance, ein Thema, über das sie ein Buch geschrieben hat, das soeben erschienen ist.

Schon als 6jährige am Küchentisch beschäftigte mich die Frage, warum es Menschen auf dieser Welt gibt, die nicht über das gekochte Fleisch maulen können, weil sie leider über keines verfügen.

Damals konnte ich noch nicht ahnen, dass ich mit 22 Jahren einen Artikel über die Children’s Development Bank lesen würde, der als Grundlage für meine Diplomarbeit dienen sollte. In dieser Bank werden Straßenkinder gefördert, indem ihnen Spar- und Kreditmöglichkeiten geboten werden.

Hatte der Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus damit wirklich ein Konzept zur Armutsbekämpfung gefunden? Wie funktioniert diese Mikrofinanz?

Es gleicht sehr dem Genossenschaftsgedanken: Investoren vergeben Mikrokredite an Kleinunternehmer in Entwicklungsländern. Dazwischen geschalten sind professionell agierende NGOs, die den persönlichen Kontakt zu den Kreditnehmern pflegen, um die Bonität besser einstufen zu können. Die Klienten können keinerlei Sicherheiten anbieten, es handelt sich meist um Start-Up Unternehmen. Mit der finanziellen Spritze, je nach Land in der Höhe von ca. 50 – 1000 Euro, kann sich der Kreditnehmer selbst aus der Armut befreien. Beispielsweise wird ein Werkzeugkasten benötigt, um Tischlerarbeiten anbieten zu können. Eine Dame kauft ein Mobiltelefon für Ihr Dorf und stellt es Nachbarn gegen eine kleine Gebühr für Gespräche zur Verfügung. Mit ihrem Einkommen kann sie die Bildung ihrer Kinder sichern und die Dorfbewohner können wichtige Telefonate abwickeln.

Diese Kunden hätten vor Ort nur Zugang zu Kredithaien, die Wucherzinsen verlangen und darüber hinaus sind im ländlichen Bereich oft keine Bankfilialen zu finden.

Der Anleger bietet dem Kleinunternehmer Kapital für eine Investition und dennoch kann er bis zu 2 % Dividende/Rendite erhalten (z.B. bei Oikocredit Österreich). Gutes tun während das Kapital sicher angelegt ist! Ein Mikrofinanz-Investment kann in einem Portfolio durchaus zur Risikominimierung eingesetzt werden.

Im Zuge meiner Recherchen haben die Vorteile klar überwogen: Statt einer Spende wird das Kapital gut eingesetzt und vor Ort werden handelsüblichen Begebenheiten sowie Traditionen gefördert.

Gerade nach der Wirtschaftskrise ist diese Risikodiversifikation sehr interessant: Ein Reisbauer in Indien korreliert nicht mit dem Index der Börse in New York. Die Produkte sind meist für das alltägliche Leben notwendig und stellen keine Luxusartikel dar.

Im Lauf der Mikrofinanzgeschichte haben sich Frauen als zuverlässigere Rückzahler herausgestellt, weiters wird mit ihrer wirtschaftlichen Kraft auch die Stellung in der Gesellschaft gestärkt. Der positive Effekt eines Mikrokredites kann hier unglaubliche Früchte tragen: Eine wirtschaftlich erfolgreiche Mutter kann die Gesundheit und Bildung ihrer Kinder fördern sowie die Nachbarn als Mitarbeiter einstellen etc. In Verbindung dessen konnten Sozialindikatoren geprüft werden, die deutlich verbessert wurden, z.B. Senkung der Kindersterblichkeitsrate, steigende Lebenserwartung etc.

„Früher hatte ich vor jedem und allem Angst: Meinem Mann, unserem Dorfvorsteher, der Polizei. Heute fürchte ich niemanden. Ich besitze mein eigenes Bankkonto, ich bin die Vorsitzende unserer Dorfspargemeinschaft.“ (Weltbank Studie 2000, indische Dame)

Bei der Mikrofinanz kann derzeit kaum von Nachteilen, eher von Grenzen gesprochen werden: Es stellt nicht das alleinige Mittel zur Armutsbekämpfung dar, da die Ärmsten der Armen nicht unterstützt werden können und stets eine Gegenleistung für die Rückzahlung notwendig ist.

Ebenso sollen Mikrokredite nicht als vollständiger Ersatz für Spenden angesehen werden, auch wenn dies verlockend wäre. Im Katastrophenfall oder für Kranke sind Organisationen und Staaten weiterhin auf Spenden angewiesen.

Viele NGOs in den Industrieländern arbeiten mit christlichen und missionarischen Zielen. Im Inland kann ich die international agierende gemeinnützige Genossenschaft Oikocredit sehr empfehlen. Es wird die aktive Mitarbeit der Mitglieder gefördert und eine transparente Darstellung geboten. Die Mindesteinlage beträgt hier 200 Euro.

„Die 7 reichsten Männer könnten der globalen Armut ein Ende setzen.“ – Klaus Tischhauser

Diese vielversprechenden Worte haben sich Bill Gates, Waren Buffet & Co glücklicherweise zu Herzen genommen und geben freiwillig von ihrem Vermögen ab. Zeigen wir aber nicht nur auf „die Reichen“, sind wir das nicht selbst? Oder wie würden wir uns bezeichnen, wenn wir uns, bei aller Liebe zu meinem fahrbaren Untersatz, den Kopf über die Farbe des neuen Wagens zerbrechen?! Carpe diem!

Kontakt: chochola@bar.at

Das Buch:
Das Konzept der Mikrofinanz: Soziale und finanzielle Rendite von Mikrofinanz-Fonds, Birgit Chochola, VDM Verlag Dr. Müller, 2010

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