Neue Arbeits-Rhythmen

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Arbeit wird meist als Bürde erlebt und dient bloß dazu, Geld zu verdienen, wie eine aktuelle Studie zeigt. Veronika Lamprecht ist der „neuen Arbeit“ auf der Spur – einer Arbeit, die Spaß machen darf und Erfüllung bringt.

Meine Arbeit, einen Bericht zu schreiben, macht Arbeit. Seit Wochen beschäftigt er mich immer wieder, manchmal auch nachts. Ich sammle Eindrücke, besuche Kongresse, frage Menschen, lese Berichte und Studien. Meine Freude erhöht sich durch das Entdecken von ermutigenden Menschen und ihren Beispielen, ich bekomme mehr Verständnis für manchmal auch erschreckende Zusammenhänge. Meine Arbeit erfrischt mich, weil ich sie großteils selber einteile, sie in meinem Rhythmus mache und der Freude folge.
Es ist später Nachmittag, Frau Schmidt betritt das Büro. Sie wird gleich damit beginnen, die Spuren der gestrigen Abendveranstaltung zu beseitigen. Ich begrüße sie und frage, ob sie etwas braucht von mir. Sie meint erschöpft lächelnd:„Nein danke, ich will nur hier schnell fertig werden und nach Hause gehen!“

Zwei Alltagssituationen, die zeigen, wie vielfältig Arbeit ist und erlebt werden kann.

Wann macht Arbeit Freude und wann ist sie nur Verpflichtung? Wie kann Arbeit mehr Energie bringen, als sie kostet? Welche Arbeitsrhythmen erhöhen die Lebensqualität? Und welcher Beitrag dazu kann individuell und welcher kann nur gesellschaftlich, politisch geleistet werden?

Wie kann Arbeit mehr Energie bringen, als sie kostet?

Zu dieser Frage wurde zwischen September 2010 und Jänner 2011 eine Studie von der klufamily-Marktforschung mit 250 erwerbstätigen Personen österreichweit erstellt, differenziert nach Bundesland, Geschlecht, Alter, Bildung und Beruf. Demnach sind über 80 % der ÖsterreicherInnen grundsätzlich zufrieden mit ihrer Arbeit, wobei Erwerbstätige in freien Berufen und Selbstständige die höchste Zufriedenheit haben und Energiegewinnung direkt aus der Arbeit beziehen (96 %). Auf die Frage „Was verstehen Sie persönlich unter dem Wort Arbeit?“ antworten die Leute hauptsächlich: Geld verdienen! Nur die selbstständig und in freien Berufen Tätigen verstehen unter dem Begriff „Arbeit“ wertvolle Tätigkeiten und etwas, was Freude bereitet. Die Landwirte sehen ihre Lebensaufgabe darin.

„Was motiviert Sie an der Arbeit?“ Für alle Berufsgruppen ist wiederum Geld der wichtigste Motivationsfaktor. Bei den Freiberufler/innen und Selbstständigen stehen klar Freude am Beruf und Lebenssinn im Vordergrund.

Auf die Fragen „Was würden Sie brauchen, um Energie aus der Arbeit zu bekommen?“ wünschen sich alle Gruppen mehr Pausen und Ruhe – außer den BeamtInnen, die wünschen sich vor allem mehr Zusammenarbeit mit den KollegInnen. Angestellte und in Ausbildung Befindliche wollen mehr Anerkennung und gutes Arbeitsklima, ArbeiterInnen mehr Lohn und Motivation. Menschen, die in freien Berufen tätig sind, sind die Einzigen, die sagen: „Wir bekommen schon Energie aus der Arbeit!“ Erfolgserlebnisse würden das noch steigern. „Spaß“ brauchen nur die Selbstständigen und Landwirte wollen es „gerne tun.“

Welche Arbeitsplätze bieten die besten Rahmenbedingungen, um Freude an der Arbeit zu ermöglichen? Hier wird der Traum nach eigenem Unternehmertum wieder wach: 23 % (die meisten Nennungen) stellen sich das Selbstständig-Sein als Einpersonen-Unternehmen als ideale Arbeitsstätte vor, gefolgt vom öffentlichen Dienst oder einem Familienbetrieb.

Aus dieser Studie geht hervor, dass ÖsterreicherInnen zufrieden sind, solange das Einkommen stimmt und ausreichend Freizeit für Erholung zur Verfügung steht. Erfüllung, tiefe Freude und ein entsprechender Beitrag zur Gesellschaft scheinen wenig Relevanz zu haben.

Reicht das wirklich, wenn wir bedenken, dass wir einen Großteil unseres Lebens mit Arbeit verbringen und überall mehr Sehnsucht nach Sinn spürbar wird? Was ist, wenn Erwerbsarbeit insgesamt weniger wird? Was wäre, wenn wir uns abseits unserer scheinbar gemütlichen Zufriedenheit mal fragen, was wir wirklich wirklich wollen?

Was wir wirklich wirklich wollen

Ende April 2011 fand im Stift Ossiach der Open-Space-Kongress „Zukunftskraft Arbeit – neue Arbeit für das wirkliche Leben“ statt. Organisiert von der privaten Initiative des Instituts für Zukunftskompetenzen und der Trigon- Entwicklungsberatung, trafen sich rund 60 Teilnehmende, um neue Formen der Arbeit kennenzulernen, zu erleben und weiterzuentwickeln.

„Wie können wir Arbeit in Zukunft so gestalten, dass sie Mensch und Natur weniger Energie „raubt“ als bisher, sondern vielmehr lebensbefruchtend und lebenserneuernd wirkt?“ Zu wissen, was wir wirklich wirklich wollen, ist die Basis, meint der Philosoph Frithjof Bergmann und setzte beim Open-Space-Kongress kräftige Impulse mit dem von ihm seit den 60er-Jahren weiterentwickelten Konzept der „Neuen Arbeit“.

Bergmann schlägt vor, die eigene Arbeit in 3 Teile zu gliedern: Das erste Drittel investieren wir in „Jobarbeit“, wo wir gegen Entgelt Arbeitsleistung erbringen. Im zweiten Drittel wird Selbst- und Gemeinschaftsversorgung auf hohem technischen Niveau geleistet, er nennt dies „Hightech-Self-Providing“. Und die restliche Zeit widmen wir uns dem, was wir wirklich wirklich wollen – arbeiten gemäß meiner Berufung, „Calling“ genannt. Insgesamt ergibt sich auf diese Weise ein Übergang zur bedürfnisbefriedigenden Arbeit. „Geld verdienen“ für lebensnotwendige Güter kann reduziert werden durch Selbst- und Gemeinschaftsversorgung und eine Verschiebung von Lebensstandard hin zu Lebensqualität kann stattfinden.

So kann es gehen

Projekte aus den 80er-Jahren verdeutlichen die Flexibilität des Modells, das auf regionale Bedürfnisse und Möglichkeiten eingeht. Bereits etabliert und bekannt sind Arbeitsstiftungen:

In Flint, USA/Michigan (seit 1981) hat der GM-Konzern die Hälfte der Arbeitskräfte durch Rationalisierung überflüssig gemacht. In einer Vereinbarung zwischen Unternehmen und Gewerkschaft wurde festgelegt, dass jeder Arbeiter innerhalb eines Jahres nur ein halbes Jahr für den Konzern arbeitet, in der anderen Hälfte kann er mit kommunaler und betrieblicher Hilfe seine individuelle Lebensgestaltung mit Kreativität ausfüllen (nach Ruhoff 1996).

Erfolgreich war und ist Bergmann vor allem in Detroit, Südafrika und Indien. Dort, wo nichts mehr geht, wird sein Ansatz begeistert aufgenommen und umgesetzt. Konkrete Projekte in Österreich, seinem Geburtsland, sind rar, obwohl es in den letzten Jahren unzählige Initiativen und Start-up-Veranstaltungen gab. Neben Aufnahme seiner Ideen im „Blumauer Manifest“ und manchen Leitbildern nachhaltiger UnternehmerInnen, gibt es eine „Neue Arbeits Initiative“ in Ottensheim. 40 Personen sind seit 2009 begeistert von Bergmanns Ansatz und engagieren sich in Bewusstseinsbildung, Gemeinschaftswerkstätten, Anwendungsforschung von erneuerbarer Energie und einem Schulgartenprojekt. Die Freude der Kinder, wenn sie ihre ersten selbst gesäten Erbsen ernten und sie ihre Schulküche mit Radieschen beliefern, ist ansteckend.

„Wir wissen sehr viel. Wie wir es ins Handeln bringen, ist die aktuelle Herausforderung“, meint die Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb selbstkritisch bei einer Veranstaltung in der Akademie der Wissenschaften zum Thema „Mut zur Nachhaltigkeit“. „Wir brauchen eine gesamtgesellschaftliche Wahrnehmung für die Umsetzung!“ Ein Kulturwandel in der Arbeit braucht neben neuen Dialogmethoden auch eine Beachtung der Rhythmen.

Im eigenen Rhythmus sein

Der international tätige Architekt und Künstler Johannes Matthiessen zeigte am Kongress in Ossiach vor, wie auch auf den ersten Blick stupide Arbeiten, etwa Ziegelstein-Werfen, mit Freude und Leichtigkeit im Team ausgeübt werden kann. Wichtig dabei ist der Rhythmus, der uns im Arbeitsleben sehr oft fehlt.

Max Moser, Chronobiologieforscher an der Uni Graz, hat in einer Studie herausgefunden, dass Bauarbeiter, die in ihrem eigenen Rhythmus arbeiten, keine Unfälle mehr verursachen und die gleiche Arbeit leichter getätigt werden kann. Er hat dazu mit den Männern zwei Mal täglich drei Wochen lang Eurythmie gemacht, was anfangs widerwillig aufgenommen wurde. Diese Körperübungen aus der Anthroposophie bringen Atem und Körperbewegungen in Balance, in den Urtanz des Lebens, aktivieren den eigenen Rhythmus. Schon nach einigen Tagen stellte sich eine deutliche Unfallminimierung und Erleichterung der gleichgebliebenen schweren körperlichen Arbeit ein, die lange nachwirkte.

Im eigenen Rhythmus zu sein, scheint eine Grundvoraussetzung für Gesundheit und Arbeitsfreude zu sein. Aber wie kann es Menschen gelingen, den eigenen Rhythmus zu finden, solange es nicht gelingt, gleiche Entlohnung für gleiche Arbeit für Männer und Frauen zu erreichen? Wie soll eine der 500.000 in Österreich „manifest armen“ Personen ihre Individualität spüren,  wenn sie ihre Wohnung nicht heizen und sich keine zwei warmen Mahlzeiten in der Woche leisten kann? Wie soll eine Migrantin sich selbst „feiner wahrnehmen“, wenn ihre Kultur- und Sprachkompetenzen über Generationen nicht wahrgenommen werden? Wie kann da ein eigener Arbeitsrhythmus gefunden werden?

Arbeit ist ein wesentlicher Teil der Ökonomie und zentraler Hebelpunkt für gesellschaftliche Veränderung. Wir werden nicht umhinkommen, das System an sich in Frage zu stellen. Unser Arbeitsverständnis bezieht sich immer nur auf Erwerbsarbeit, obwohl es viele andere genauso lebenswichtige und lebenserhaltende Tätigkeiten gibt. Die Erwerbsarbeit prägt zutiefst unseren Lebensstil, für viele bedeutet sie die Existenz.

Anders arbeiten und leben – 4-in-1-Perspektive

Radikal sieht Frigga Haug, die international wirkende Soziologin und Sozialpsychologin, die Arbeitsfrage mit ihrer „Vier-in-einem-Perspektive“.

Frigga Haug fordert uns auf, die alles dominierende und über die Maßen Identität stiftende Erwerbsarbeit von ihrem Stockerl runterzuholen und neben die anderen grundsätzlich menschlichen Tätigkeiten gleichwertig dazuzustellen: Ausgehend von der Betrachtung der Geschlechter- und Produktionsverhältnisse zueinander erkennt sie, dass es nicht um Gleichstellung der Geschlechter geht, sondern darum, dass die gesamte Systemstruktur in Frage steht und es neue Ordnungen braucht. Sie fordert eine Balance der vier Tätigkeitsbereiche Erwerbsarbeit, Reproduktionsarbeit (Zuwendungsarbeit), kulturelle Entwicklung (persönliche Entwicklung) und Politik von unten auf zeitlich gleicher Ebene, statt sie einander über- oder unterzuordnen.

Zum Vergleich: Bei Bergmann, dessen Modell 1999 vom Club of Rome zur Arbeitsproblemantik als Lösungsansatz vorgeschlagen wurde, fehlt die politische Mitgestaltung. Weiters wurde in der weiter oben genannten Studie nur Erwerbsarbeit als Arbeit betrachtet – und Hausarbeit als Teil der Freizeit deklariert.

Das Leben im Zentrum

Dabei ist Hausarbeit als Teil der Reproduktionsarbeit die Basis jeder Erwerbsarbeit! Schließlich steht das Leben an sich im Zentrum allen Wirtschaftens! Die Befriedigung der Bedürfnisse und das Entfalten der eigenen Talente ist Voraussetzung dafür, dass wir überhaupt arbeiten! Ökonomie kommt von „ökonos“ und bedeutet „Haushalt“!

Zuwendungsarbeit ist die Arbeit der Frauen, Mütter und anderer fürsorgender Personen, die Betreuung von Kindern, alten und kranken Menschen, die Pflege von Beziehungen und achtsamer Umgang mit Haushalt und der Natur. Diese Arbeit kann nicht rationalisiert und nur zum Teil geplant werden, sie läuft nicht linear, sondern entfaltet sich zyklisch und kann tiefen Sinn und Erfüllung geben. Ohne diesen Bereich gäbe es keine Erwerbsarbeit.

Utopien für RealistInnen

Ein Leben mit gesunden, leistbaren und notwendigen Produkten, deren Produktion auf viele Schultern verteilt ist und genug Zeit lässt für Selbstentfaltung, Freundschaften und Beziehungen. Das wünschen wir uns. Doch an welchen Enden mit dem schrittweisen Umbau unserer Arbeitswelt beginnen? Bei der Arbeitszeitverkürzung, bei der Bezahlung von Hausarbeit, bei der Besteuerung der Reichen, der Strategien der Arbeitsumverteilung oder bei der Einführung eines Grundeinkommens? All das sind Vorschläge von Sabine Gruber, Sozialwissenschaftlerin u. Gemeinwesenentwicklerin aus Wien. Sie engagiert sich für den Umbau der Arbeitswelt und eine gerechte Verteilung von Arbeit und Wohlstand. Konkret hat sie 2008 eine EU-weite E-Mail-Kampagne mit-initiiert gegen die Arbeitszeitrichtlinie, die eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit vor hatte – mit Erfolg! Sie veranstaltet Utopiewerkstätten zum Thema „Wie stellen wir uns das ideale Arbeiten vor?“ und tritt für die Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit für alle auf 20 Wochenstunden ein.

Geschlechtergleichstellung, Anspruch auf ein Leben in Würde, demografische Entwicklung und Gesundheit sind zentrale Themen genauso wie Arbeitszeitverkürzung mit einem Mindestlohn als Schutz vor Lohnsenkung und eine armutsfeste Grundsicherung.

„Ziel ist es, die gesellschaftlich notwendige Arbeit auf möglichst alle Schultern gerecht zu verteilen und ein kontinuierliches Einkommen bei diskontinuierlicher Erwerbsarbeit sicherzustellen. Aktuell ist es so, dass unser Wirtschaftsmodell auf Wachstum basiert; um Menschen in Erwerbsarbeit zu halten, müssen künstliche Bedürfnisse geschaffen werden, die uns nicht nur unnötige Arbeit verursachen, sondern auch Raubbau an der Natur bedeuten. Stattdessen können wir Arbeit auf die notwendigen Tätigkeiten konzentrieren, wozu insbesondere auch die Versorgungsarbeit oder der Schutz und die Pflege der Natur zählen. Das würde in erster Linie eine Umschichtung bedeuten und eine Aufwertung geringgeschätzter Tätigkeiten und die Bedeutung von Erwerbsarbeit würde in ihre Schranken gewiesen werden“, erzählt Sabine Gruber.

Tim Jackson, britischer Professor und Berater von Premier David Cameron, macht in seinem neuen Buch „Wohlstand ohne Wachstum“ ebenfalls deutlich, warum weniger arbeiten produktiver ist. Dadurch wird u.a. die Umwelt geschont und es wird Zeit gewonnen zu mehr Leben, Lernen, Lieben und Lachen!

Eine Utopie aus dem Buch von Sabine Gruber „Arbeiten wie noch nie!? Unterwegs zur kollektiven Handlungsfähigkeit.“ (Hg. Sabine Gruber/ Frigga Haug) lässt uns in diese Perspektive eintauchen: „Gegen 13 Uhr gehe ich in unser genossenschaftlich organisiertes Bildungscafé und schaue, was es dort heute zu essen gibt. Beim Essen unterhalte ich mich mit FreundInnen und KollegInnen, (…) ich bin diese Woche für die Bücherei zuständig. (…) Am Rückweg schaue ich im Bioladen vorbei und kaufe Obst, Butter und Brot. Weil alle Mitglieder der ErzeugerInnen-VerbraucherInnen-Kooperative sich verpflichtet haben, dort einzukaufen und bei Bedarf auch einmal mithelfen (…) und nicht mehr nach Größe der Betriebe, sondern entsprechend einer nachhaltigen Produktionsweise gefördert (wird), können wir uns das auch leisten.“ (S. 177ff).

Wie bekommen wir „4in1“ (Frigga Haug) – Erwerbsarbeit, Reproduktionsarbeit, kulturelle Entwicklung und Politik von unten – unter einen Hut? In diesem Buch werden einige Weggabelungen ausgeschildert, die zur Diskussion anregen wollen. Die Arbeit, die dann noch getan werden muss, kann Spaß machen. Alleine oder gemeinsam, so wie es für die Arbeit, das Werk, für meinen persönlichen Rhythmus und die Gemeinschaft am besten ist:

EinzelkämpferInnen versus Gemeinschaften

Es braucht in der Arbeitswelt einen Ausgleich von individueller Arbeit und gemeinsamen, gemeinschaftlichen Aufgaben. Gemeinsam zu arbeiten bekommt in den letzten Jahren ebenfalls eine neue Bedeutung – es entwickeln sich neue Formen von Zusammenarbeit. Barbara Schöllenberger ist Netzwerkerin und Bildungsmanagerin von Beruf und kennt die Übergänge von den alten zu den neuen Formen, die Besonderheiten, Chancen und Gefahren.

Das neue Netzwerken

„Die Besonderheit ist für mich das Miteinander im Tun, das sich an den Lebensrealitäten und Bedürfnissen aller Beteiligten orientiert. Wenn ich in meinem Tätigkeitsfeld, der Erwachsenenbildung, zum Beispiel Wissen und gelungene Praxisbeispiele über solidarische Ökonomie verbreiten will, schließe ich mich mit vier Frauen zusammen, die auch mit dem Thema praktische Erfahrung haben, diese weitertragen wollen und freudig einen Raum dafür bieten. In den gemeinsamen Gesprächen ist Platz dafür, was jede Frau an wichtigen Botschaften und realisierbaren Ideen transportieren will, und so entsteht als geeignete Form der Vermittlung zum Beispiel eine Workshopreihe über frauengerechtes solidarisches und nachhaltiges Wirtschaften,“ erzählt Barbara Schöllenberger.

Eine große Chance erlebt sie in der gegenseitigen Ermutigung. Eine Kollegin ist fast immer dabei, die gut auf ihr Wohlbefinden, ihre eigene Freude achtet. Sobald eine das „gute Leben für sich und für alle“ achtet, merken das die anderen, atmen auch durch und halten inne und werden aufmerksam. Dadurch ist es einfach, bei der Leichtigkeit zu bleiben und Zusammen-Arbeit in Achtsamkeit für sich selbst und die anderen zu leben.

Gefahren sind die alten Fallen des Perfektionsanspruches, des Kontrollbedürfnisses und der Hierarchie, die wir oft gerne aufgrund unterschiedlicher Kompetenzen herstellen wollen. Hier ist es wichtig, gut hinzuhören und einander Wertschätzung und Entwicklungsraum für die jeweiligen Stärken entgegenzubringen. So wachsen dann schöne, runde, gesunde gemeinsame Projekte und ziehen weiteres Interesse, Respekt und Unterstützung an. Eines der aktuellen Projekte von Barbara Schöllenberger befasst sich mit „Wirtschaft und Frauen“ und wird ab Herbst in der VHS Brigittenau angeboten.

Wir brauchen konkrete Taten, die wir aus innerer Freude, im eigenen Rhythmus und gemeinsam tun – entlang einer reifen entwicklungsoffenen Perspektive. Island lässt erstmals seine Verfassung via Facebook erstellen und die Uni Lüneburg wird von den Student/innen gestaltet.

Neue Arbeitsrhythmen machen Spaß

Der Schindlerhof in Nürnberg wird seit 1999 durchgehend zum besten Tagungshotel Deutschlands gewählt. Klaus Kobjoll erzählt, wie er vor 15 Jahren als Esoteriker verrufen war, weil seine Lehrlinge vor allem „Spaß an der Arbeit haben sollten“. Durch die hohe Kultur der gegenseitigen Wertschätzung haben er und sein Team den Spaß ins Detail gebracht, und selbst das Infopickerl neben dem Handtuchhalter wird davon erfasst:

„Die neue Sportart – Handtuchwerfen?

Wenn Sie das Handtuch werfen, fällt es auf den Boden. Fällt es auf den Boden, heben wir es auf und Sie bekommen ein neues. Wenn Sie das Handtuch nicht werfen, hängen Sie es natürlich auf den Handtuchhalter. Und wir heben es natürlich nicht auf, weil es gar nicht auf dem Boden liegt.

Fazit: (…) Wer gewinnt?

Immer Sie, wir, alle unsere Kinder.
Unsere Umwelt.“

„Leben ist die Lust, zu schaffen“

Diesen Satz prägt der Zukunftsforscher Horst W. Opaschowski, Berater für Wirtschaft und Politik aus Hamburg, in seinem Vortrag. Gerade bei jungen Leuten nimmt diese Kraft explosionsartig zu, meint er, sie sehen darin eine lebenswerte Zukunft. Dazu braucht es ein Umdenken und Umhandeln, wie der Begründer der Anthroposophie Rudolf Steiner schon sagte: „Es muss die Möglichkeit herbeigeführt werden, dass jede Person freiwillig tun kann, wozu sie sich berufen fühlt – nach dem Maß ihrer Fähigkeiten und Kräfte.“

Im Fluss der Arbeitsrhythmen

Das breiter werdende Umdenken und die unzähligen Initiativen, die immer mehr zusammenarbeiten, haben eine mächtige Bewegung in Fluss gebracht. Eine gesamtgesellschaftliche Wahrnehmung für eine Umsetzung ist in Gang.

Ich gehöre zu den privilegierten Mitteleuropäerinnen, die es sich leisten können, den eigenen Rhythmus zu finden und ihn auch zu leben, weil ich wirklich, wirklich will. Aus dieser meiner ureigensten Kraft und Energie heraus bestimme ich selber, welchen Beitrag für die Gesellschaft, in der es erfülltes Leben für alle geben kann, ich am besten leisten kann. Eine Mitgestaltung an einer Welt, in der wir uns gegenseitig kompromisslos ermutigen und daran Freude und Spaß haben, ist ein Herzensanliegen – nicht nur von mir!

Weiterführende Link:
www.zukunftskomptenzen.at
www.neuearbeit-neuekultur.de
www.neuearbeit.ottensheim.at
http://www.thur.de/philo/arbeit4.htm – Überblick über verschiedene Neue-Arbeits-Modelle
http://netzwerkerin.at
www.vienna.the-hub.net
www.schindlerhof.de
www.opaschowski.de

Studien/Bücher:

Studie „Wie Arbeit mehr Energie bringt als sie kostet“ Download auf www.zukunftskompetenzen.at

Zukunftskraft : Arbeit & Energie ( 176 Seiten, Wieser Verlag)

 

Frithjof Bergmann:
Neue Arbeit, Neue Kultur
440 Seiten, geb., 24,80 Euro, Arbor-Verlag

Sabine Gruber, Frigga Haug, Stephan Krull (Hg.) (2010): 
Arbeiten wie noch nie!? Unterwegs zur kollektiven Handlungsfähigkeit. 
Argument Verlag, Hamburg.

Verein JOAN ROBINSON u.a. (Hginnen):  „Wirtschaft anders denken. Handbuch Feministische Wirtschaftsalphabetisierung“ (Wien 2010 ).

WIDE (Hg.): „Kassasturz. Finanzkrise und Entwicklung aus feministischer Perspektive“ (Wien 2010)

H. W. Opaschowski
„WIR! Warum Ichlinge keine Zukunft mehr haben“;
2. Auflage, Hamburg 2011

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