Kritische Anmerkungen

Der Artikel ist auch als druckfreundliches PDF erhältlich: C2C-Kritik I

Wider die Verschwendung

Auch auf Seiten der Konsumenten wird C2C eine sukzessive Wendung im Denken und Verhalten bewirken, allerdings eine, die argwöhnisch beobachtet wird und auf Kritik stößt. Wenn Stoffe ökologisch komplett unbedenklich sind und wieder in neue Kreisläufe eingehen, so darf man plötzlich etwas, wofür man sich heute noch in der alten Welt der Müllberge geniert: maßlos verschwenden! Weil alle C2C-Protagonisten dieses lustvolle Verschwenden so herzhaft propagieren, regt sich moralischer Unmut. Man würde hier einen neuen Konsumwahn begründen, dessen Vorteil wohl in der ökologischen Unbedenklichkeit liege, aber moralisch bedenklich wäre. Man sieht die Tugend der Mäßigung bedroht.

Dem kann man entgegenhalten, dass diese Kritik aus der „alten Welt“ stammt, in der zurecht gegen blindwütige Vergeudung unwiederbringlicher Ressourcen gewettert wurde. Mit C2C gibt es aber keine unwiederbringlichen Ressourcen mehr. Wenn sich das Prinzip durchsetzt, wird sich die moralische Debatte von der Theorie in die Lebenspraxis verlagern und eine Neubewertung des Begriffs „Verschwendung“ notwendig machen. Man könnte also der Tugend der Mäßigung folgen und abwarten, würde nicht Ernst Gugler von gugler crossmedia, selbst ein C2C-Pionier, ein Argument jenseits der stofflichen Welt vorbringen. Er meint, dass jedes Produkt immer auch Ergebnis von menschlicher Arbeitszeit ist, und lustvolles Verschwenden somit bedeutet, menschliche Arbeitszeit zu verschwenden. Nur weil maßloser Konsum auf stofflicher Ebene durch C2C plötzlich unbedenklich wird, ist er es noch lange nicht auf zwischenmenschlicher Ebene.

Es bleibt dabei allerdings zu fragen, ob der Einzelne dies als Ausbeutung erlebt oder seinen Arbeitseinsatz gerne erbringt, sei es wegen entsprechender Entlohnung, sei es als Quid pro Quo für eigenes verschwenderisches Verhalten. Wenn Arbeit sinnvoll ist, kann man sie auch lustvoll verrichten. Rahim Taghizadegan merkt in seinem Kommentar allerdings sehr richtig an, dass zum Beispiel Lebensmittel Cradle-to-cradle-Produkte sind, aber eine Verschwendung immer bedenklich ist.

Du sollst zertifizieren

EPEA vergibt Zertifikate für C2C-Projekte und –Betriebe. Man darf zurecht bemerken, dass üblicherweise aus gutem Grund Beratung und Zertifizierung von unterschiedlichen Stellen durchgeführt werden. Der Berater kann sich wohl selbst kein objektives Zeugnis ausstellen. Braungart weiß das natürlich und übergibt die Zertifizierung auch demnächst an solch eine unabhängige Stelle. Bleibt allerdings die Frage, wozu überhaupt zertifizieren? Es scheint als müsse ein Wahn nach objektiven Belegen für das eigene Gut- und Bessersein befriedigt werden. Braungart erklärt, er wolle sich den unsäglichen Öko-Zertifikaten entgegenstemmen, welche die Produktwelt überschwemmen. Jeder fadenscheinige Mist wäre eine Öko-Plankette wert, die man sich an die Eingangstür kleben kann. Also müsse man dem mit einer C2C-Auszeichnung begegnen.

Mit einer guten Portion Selbstironie merkt der Chemiker an, dass er in Silber, Gold und Platin zertifiziere: „Ist das nicht lustig: Das sind ökologisch hoch bedenkliche Edelmetalle. Im Sinn der Sache, der Nützlichkeit, die wir anstreben, müsste es eigentlich Zertifikate geben, die Ameise, Regenwurm und Berggorilla heißen“.

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