Das Geschäft mit der Liebe

Es eröffnet sich ein Markt für Liebesangebote, die ihren Namen auch verdienen. Die Liebe wird zu einem Businessmodell und es ist weiblich geprägt. „Liebeskultur statt Porno“, ist das Credo der Anbieterinnen (Der Artikel ist so im Wortlaut im Magazin „die Wirtschaft“ erschienen“ – Anmerkungen dazu im Anschluss)

Wenn man vom „Geschäft mit der Liebe“ liest, meint man schon zu wissen, was da kommt. Zu lange wurden die Begriffe „Liebe“ und „Erotik“ vom Porno-Business missbraucht und damit Umsätze von jährlich acht Milliarden Dollar alleine in den USA und rund 1 Milliarde Euro pro Jahr im deutschsprachigen Raum generiert. Kaum war das erste Kino in New York eröffnet, entstand 1896 auch schon der erste Pornofilm. Und mit der Erfindung der beweglichen Lettern durch Gutenberg im 15. Jahrhundert wurde als erstes nicht etwa die Bibel reproduziert, sondern erotische Kupferstiche samt schlüpfriger Texte.

Auch wenn die Pornografie mit ihrer Darstellungsästhetik längst auch die alltägliche Werbung durchdringt, hat sich doch, unmerklich aber beständig, ein Markt für das Geschäft mit der wahren Liebe entwickelt – mit Liebe, wie sie eigentlich gemeint ist: als eine lebendige, intime Verbindung zwischen zwei Menschen. Dieser Markt geht mittlerweile weit über Kitschromane, Ratgeberliteratur und Psychotherapie hinaus. Und er scheint, im Unterschied zur männlichen Pornografie, weiblich geprägt, sowohl, was die Anbieterinnen als auch, was die Zielgruppe betrifft.

Wenn die junge Köchin Claudia Hochreiter ihre „Gemüseromanze“ anbietet, kommen Paare, um köstlich zu speisen. Aber nicht nur. Das Augenmerk wird auf kuschelige Speiseplätze für die Paare – in sommerlichen Gärten oder romantisch gestylten Räumen – gelegt. Dann wird mit jedem Gericht auch ein Beziehungstipp und eine Übung serviert. Das Abendessen dient dem Genuss und der Paarbeziehung. (http://www.wildefeldkueche.info)

Herrlich kochen kann auch Thomas Hofer. Er war Chef de Cuisine im Steirereck. Jetzt verwöhnt er Liebespaare im Hotel Bergergut. Liebe geht durch den Magen, aber nicht nur. Seit 30 Jahren ist das Hotel Bergergut auf die Betreuung von Liebenden spezialisiert – von „frisch verliebten bis zu routiniert Verliebten“, wie Eva-Maria Pürmayer scherzt. Sie hat das Hotel vor kurzem übernommen und macht mit großer Konsequenz weiter. „Damals, als meine Eltern mit dem Liebeshotel begonnen haben, gab’s Naserümpfen – vom Pfarrer bis zu den Einheimischen“ und nach einer Pause setzt sie hinzu: „Aber auch heute noch braucht es Mut, das anzubieten.“ Mut für Liebe? „Seid ihr das Sexhotel?“, wird sie immer noch gefragt. Das Problem ist wohl eher, dass das Schmuddelige im Kopf die Wahrnehmung dominiert. „Wenn die Leute erst einmal da sind, ist eh alles klar“, sagt sie. Ganz neu im Programm sind etwa „Love Walks“. Dabei werden Paare eingeladen, unter kundiger Führung in die Natur hinaus zu gehen und dort Kontakt mit der Natur und den eigenen Sinneswahrnehmungen aufzunehmen. Den Wind spüren, die Sonne auf der Haut, das Rauschen der Blätter im Ohr. „Das Wahrnehmen der Natur ist eine gute Schulung der Sinne und wache Sinne beleben die Zweisamkeit“, schwärmt Pürmayer. Und: „ja, wir wollen mehr sein als ein Hotel. Die Menschen sehnen sich nach einem nachhaltigen Liebesleben. Wir geben Impulse dafür.“ Männer stellen skeptische Fragen zu den neuen Love Walks, die Frauen buchen sie. „Aktivitäten in der Natur haben wir immer schon gerne gemacht. Aber wieviel Kraft wir auch für unsere Beziehung aus der Natur holen können, das war neu für mich“, notierte Werner aus Salzburg im Gästebuch. Für Männer gibt es auch leicht buchbare Angebote am Bergergut. Man kann sich nette Autos für romantische Ausfahrten ausborgen. (www.romantik.at)

Das Bergergut versammelt seine Angebote unter dem Begriff „Loveness“, Veronika Victoria Lamprecht würde eher von „Liebeskultur“ sprechen. Gemeinsam mit ihrem Mann hat sie die Initiative „Liebeskultur“ gegründet und bietet „Liebes-Retreats“ für Paare an. Eine Woche lang geht es nur um das eine – um die Beziehung. Während im Hotel Bergergut die Liebe als Urlaubspackage verfügbar ist, geht es im Schloss Eschelberg, wo die „Liebeskultur“ beheimatet ist, unmissverständlich um die Beziehungspflege. Gesprächsrunden, Übungen, auch intimer Natur. „Nacktheit findet am Zimmer statt, nicht in der Gruppe,“ betont Lamprecht. Anregungen für eine gelingende Sexualität gibt es durchaus und sie sind weit tiefgründiger als banale Stellungstechniken. „Innigkeit lebt von Verlangsamung“, sagt Lamprecht, „drosselt man das Tempo, wird die Vereinigung zu Meditation.“ Man erfährt beim Liebes-Retreat etwas über Männer und Frauen, was man gerne schon in der Pubertät gewusst hätte: dass Energieströme und hormonelle Beschaffenheit unterschiedlich sind und wie man damit umgeht; ebenso gibt es dienliche Impulse zu Gesprächstechniken, denn das Miteinander-Reden gehört zur Liebe. Finden die Frauen. Auch bei den Liebes-Retreats mit dem vielversprechenden Titel „Paradise Now“ kommen Interesse und Buchungen zuerst einmal von den Frauen.

„Es geht darum, die Intimität lebendig zu halten. Viele Paare sehnen sich daher nach Liebeskultur statt nach Porno“, bemerkt Veronika Lamprecht, wobei der männlich getriebene Porno nicht gleich verschwinden wird, aber die sinnliche und eher weibliche Liebeskultur hinzu kommt. Es eröffnet sich ein Markt für Liebesangebote, die ihren Namen auch verdienen. Die von allen geschätzte Liebe wird zu einem Businessmodell. „Wir brauchen mehr Kultur in unserer Liebe und mehr Liebe in unserer Kultur“, sagt Veronika Lamprecht und eine neue weiblich geprägte, sinnlichere Ökonomie ist für sie die längst überfällige Ergänzung zum bisherigen Lebens-, Liebes- und Wirtschaftsverständnis.

(Titelbild: Bergergut)

:::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::

Anmerkungen zum Text: Dass ein renommiertes Wirtschaftsmagazin wie „die Wirtschaft“ diesen Text publiziert, ist ein Indikator dafür, dass es einen Wandel im kollektiven Bewusstsein gibt. Die Liebe, die zwar millionenfach besungen, aber de facto ein verschämtes Dasein in den eigenen vier Wänden führt und bislang nur mal kurz als wehmütiger Liebesfilm im Kino öffentlich Gassi geführt worden ist, bekommt ökonomische Sichtbarkeit und Wirksamkeit. Je mehr die Vorherrschaft der Männer schwindet, desto deutlicher zeigt sich eine Wende in den Liebesbeziehungen und in der allgemeinen Wahrnehmung.

Mir selbst war es nicht ganz geheuer, auf der einen Seite Firmen in Kommunikationsfragen zu beraten und auf der anderen Seite gemeinsam mit Veronika Coaching für Liebespaare und Liebesretreats anzubieten. Bis ich schließlich erkannte: es gibt keine zwei Seiten. Es gibt nur eine! Ich bin alles. Und die Liebe ist nicht auf der anderen Seite von irgendetwas, sondern sie ist mitten in mir und unter uns.

Seit ich den Entschluss gefasst habe, mich ganz zu zeigen und auch in Businesskontakten von den Liebesretreats zu sprechen, ernte ich Neugierde, interessierte Zustimmung und … Aufträge. Die Geschäftsführer und Politikerinnen, die Manager und Wissenschaftlerinnen entdecken, dass sie auch Menschen mit menschlichen Sehnsüchten sind. Immer, nicht nur nach Feierabend.

Wenn jetzt rechte Burschenschafter in Österreich die Regierungsverhandlungen führen (und somit über Österreichs Zukunft bestimmen) und jemand wie Trump Präsident der USA ist, sind das jene bizarren Zerrbilder eines Zustandes, die sich immer einstellen, wenn es mit jenem Zustand zu Ende geht. Da bäumt sich noch einmal das Schlechteste auf, doch das tut es nur, um sterben zu können. Es ist ein bisschen peinlich zuzusehen. Das schon. Aber es vergeht.

Wie lange der Übergang dauert, weiß ich nicht. Fix ist nur, dass wir im Übergang mittendrin sind. Die Liebe wird die große Revolution sein. In Ökonomie und Politik. Das Leben lässt sich nicht aufhalten.


Übrigens: Liebesretreat für Paare bam Schloss Eschelberg, 25.3. – 1.4.2018,
Info/Anmeldung hier)


Zum besseren Verständnis hier noch eine Kolumne über die Ökonomie der Liebe, ebenfalls erschienen in „die Wirtschaft

Ökonomie der Liebe

Ist es nicht eigenartig, dass wir die Liebe so sehr begehren, sie aber dort überhaupt nicht vorkommt, wo wir arbeiten und wirtschaften? Ich plädiere für eine Weltrevolution: für eine Ökonomie der Liebe

Alle sehnen sich nach ihr, begehren sie, streben sie an. Sie wird „geputzt und hergerichtet“, wie der Philosoph José Ortega y Gasset anmerkt. Sie wird besungen. Und wie. Sie ist das mit Abstand meist gepriesene Gefühl. Sie ist unvergleichlich. Sie durchdringt alles. Das ganze Dasein des Menschen.

Bis auf die Ökonomie. Dort kommt sie nicht vor, die Liebe. Die kraftvolle, schöne, wahre Liebe. Darum mutet es auch eigenartig an, dass ihr hier in einem Wirtschaftsmagazin eine Kolumne gewidmet ist.

Aber ist nicht eigentlich das andere eigenartig? Ist nicht genau der Umstand seltsam, dass sie so sehr begehrt wird, und genau dort, wo wir unser Leben gestalten und zum immer Besseren wenden wollen, überhaupt nicht vorkommt? So als wäre sie rein zum Privatgebrauch bestimmt. Als wäre sie etwas Schamhaftes und Peinliches, zu dem man sich nur Zutritt verschafft, wenn man abends erschöpft die Wohnungstür aufsperrt.

Ist es nicht höchst abartig, dass wir etwas zutiefst begehren und ihm im Arbeitsalltag absolut keinen Raum geben? „Die Wahrheit über sich wissen und trotzdem weitermachen, ist Zynismus“, bemerkt Peter Sloterdijk. Wie zynisch und lieblos wollen wir leben und wirtschaften?

Ich habe mir bei Interviews die Frage angewöhnt, wie es mein Gegenüber denn im Beruf mit der Liebe hält. Bei PolitikerInnen ernte ich Hüsteln und Heiterkeit. Uli Böker, die 15 Jahre lang Bürgermeisterin des Oberösterreichischen Vorzeigedorfs Ottensheim war und jetzt im Landtag sitzt, meinte, sie wäre ja in den Gemeinderatssitzungen schon in Esoterikverdacht gekommen, wenn sie von „Achtsamkeit“ gesprochen hat.

Viel anders wird es in Vorstandssitzungen oder Marketingmeetings auch nicht sein, oder? Wie geht es denn Ihnen so mit der Liebe im Business?

Ich möchte an dieser Stelle daran erinnern, dass die Liebe mehrere Aspekte hat. Sie ist nicht nur Eros, die erotische Liebe, sondern zeigt sich auch als Agape, welche nach Höherem strebt und dem eigenen Tun einen spirituellen Mehrwert gibt. Wir kennen sie als Philia, die Freundschaftsliebe, und Caritas, die fürsorgende Mitmenschlichkeit. Veronika Lamprecht, Coach von Führungskräften, unterscheidet sogar in fünf Aspekte: in die Liebe zum Ich, Liebe zum Du, Liebe zur Erde, Liebe zur Gemeinschaft und gar in die Liebe zu Leere und Stille (weil die Stille der Geburtsort von allem ist). Das Wesen der Liebe ist das Aufgehen in Schenken und Beschenktwerden. Lieben heißt „sich in einem anderen Selbst vergessen, doch in diesem Vergehen und Vergessen sich erst selber zu haben und zu besitzen“, wie der Philosoph Hegel (Anfang 19. Jhd.) anmerkt.

Wir erfahren und besitzen uns selbst also erst im liebevollen Tun. Lieben wir nicht, so sind wir nicht. Ohne Liebe sind wir lebende Tote. Wäre es nicht erfrischend und eine Weltrevolution, würden wir beginnen, unseren Geschäften mit einer Haltung der Liebe nachzugehen? Liebe zu dem, was wir tun. Liebe zu denjenigen, für die wir es tun. Liebe zu allem, was wir für unser Tun brauchen.

Keine Kommentare möglich.