Aus der Dunkelheit ans Licht

Der Artikel ist auch als druckfreundliches PDF erhältlich

KOMMENTAR MIT HERZ & SEELE
von Körpertherapeutin Atma Pöschl

Als Körpertherapeutin unterscheide ich zwischen seelischem und körperlichem Schmerz. Und mein Interesse gilt der heilsamen Arbeit mit starken Emotionen. Ich begleite Menschen am Weg zu ehrlichen Gefühlen und einer befriedigenden Sexualität.

Dabei kann die sanfteste Berührung unangenehme Gefühle auslösen. Wir alle wissen das! Und ich begegne diesen Emotionen in meiner Arbeit. Denn unser Körper speichert sogenannte negative Erinnerungen: Er wird dadurch hart, taub und gefühllos. Und bei körperlicher Nähe können diese eingefrorenen Gefühle wieder an die Oberfläche steigen. Hier liegt das Geschenk: Erfahren wir körperliche Nähe und Berührung in einem sicheren, klaren Rahmen, mit Bewusstheit und in liebevoller Verbindung mit uns selbst, kann Heilung passieren.

So können wir uns durch alle Räume unseres Körperhauses bewegen, auch durch die dunklen, wo noch kein Licht brennt. Je dunkler Gefühle schließlich auf uns wirken, desto größere Teile der Seele halten sie gefangen. Die gute Nachricht: Es handelt sich dabei um lebendige Facetten unserer Persönlichkeit, die wir dem Bewusstsein wieder hinzufügen können. Und die Bandbreite an Nähe und Zuwendung, die wir dafür brauchen, kann und darf groß sein.

Lust und Schmerz werden ja subjektiv wahrgenommen. Und als Körpertherapeutin interessiert mich etwa BDSM weder als Identität, noch als Lifestyle, und auch nicht als Maske, hinter der Menschen sich verstecken. BDSM ist eine von vielen Möglichkeiten tiefer Berührung und Begegnung. Und auf Wunsch integriere ich intensive Sinnesreize wie Schmerz oder Dominanz in den Rahmen achtsamer Körperarbeit. Eine tiefe, ehrliche Begegnung mit sich selbst steht dabei im Mittelpunkt.

Erfüllende Sexualität ist schließlich kein Synonym für Harmonie, sondern authentischer Selbstausdruck im intimen Kontakt. Heil sein heißt, mit unseren Gefühlen ganz wir selbst sein. Und Scham, Schuld und Schmerz sind auch die unterdrückten Gefühle einer Gesellschaft, die das Leiden am Kreuz vergöttert, die eigene Sexualität und Aggression als Lebenskraft hingegen verteufelt: Auch diese Gefühle wollen fließen!

So boten Flagellantenzüge im Mittelalter den Anblick sich geißelnder nackter Männer mit Erektion. Die Mystikerin Mechthild von Magdeburg schrieb: „Oh Herr, minne mich gewaltig, oft und lang.“ Und ich meine, die Erleuchtung kommt nicht, indem wir das göttliche Licht imaginieren, sondern im Erforschen des Schattens, nicht, indem wir sexuelle Lust verteufeln und Grenzen überschreiten, sondern im Spüren und Achten aller Gefühle. So wird auch die Sexualität, in Würde, Liebe und mit Bewusstheit gelebt, zu einer Quelle von Gesundheit, Kraft und ein spiritueller Weg.

„Devot“ waren im 15. Jahrhundert übrigens Menschen, die ihr Leben dem christlichen Glauben widmeten. Heute ist das Wort sexuell konnotiert. Es stammt von lateinisch devovere – weihen, heiligen. Und „sich hingeben“ ist die Übersetzung, die der heutigen Verwendung des Wortes am nächsten kommt. Als Körpertherapeutin begreife ich den Wunsch, devot zu sein als Entwicklungsmöglichkeit mit hohem Potenzial: Hinter dem Wunsch nach Unterwerfung kann eine tiefe Sehnsucht nach Hingabe liegen, hinter dem Wunsch nach körperlichem auch ein seelischer Schmerz. Als Körper-therapeutin unterstütze ich Menschen gerne dabei, ihr ganzes Potenzial frei- zusetzen und sich weiterzuentwickeln.

Die Unterscheidung zwischen heiligem und dunklem Sex ist übrigens unnötig. Heilig kommt ja von heil und meint ganz: Licht und Schatten, Wellenberg, Wellental und alle Nuancen der ganzen bunten Gefühlspalette. Dieser ehrliche

Kontakt mit uns selbst bedeutet Lebendigkeit und Wachstum, auch in der Sexualität.

Mag. Atma Pöschl (Jg. 1970) ist Trainerin und Coach für Körpersensibilisierung. Ihre Einzelsitzungen und Seminare sind letztlich Lehrstunden, in denen der Körper als Tür zur Lust, zur Selbsterkenntnis und zur Stille erfahren werden kann. Internationale Lehrtätigkeit. Info: www.institut-atma.at

Keine Kommentare möglich.